Interview mit Gründungsgeschäftsführer Guido Baranowski über 35 Jahre TZDO: „Gründen – Wachsen – Raus“
Im Interview spricht Guido Baranowski (Foto unten: Roland Kentrup), Gründungsgeschäftsführer des TZDO, über die Gründungsphase, wichtige Meilensteine, Erfolgsfaktoren und Zukunftsperspektiven des TZDO. Zum Jahresende wechselt die Geschäftsführung der TechnologieZentrumDortmund GmbH (TZDO): Dirk Stürmer ist zum 1. Januar 2021 zum neuen Geschäftsführer des TZDO bestellt worden. Der 48-jährige Diplom-Ingenieur folgt auf Guido Baranowski, der als Gründungsgeschäftsführer des TZDO nach 35 Jahren in den Ruhestand geht.
Sie sind seit dem Gründungsjahr 1985 Geschäftsführer des TZDO: Was waren vor 35 Jahren die Aufgaben, Ziele und Erwartungen an das TZDO?
Die Erwartungen an das TZDO waren damals mitten in der Strukturkrise sehr hoch. 1987 hat die letzte Zeche in Dortmund geschlossen. Die damalige Hoesch Stahl AG hat in der Zeit viele Arbeitsplätze abgebaut. Es galt zu überlegen, welche neuen Ansätze in der Wirtschafts- und Strukturpolitik gibt es, Dortmund neu auszurichten. Die Neuausrichtung war eng verknüpft mit der Wissenschaft. Die damals noch recht junge Universität Dortmund sollte auf jeden Fall stärker in den Strukturwandel mitintegriert werden. Es sollte eine technologiebezogene Strukturpolitik sein, die sich an den Stärken der Wissenschaft orientiert. Konkret sollten die Potentiale von Universität, Fachhochschule, Fraunhofer Instituten, Max-Planck-Institut und Leibniz-Instituten für einen Neuanfang genutzt werden, um aus der Wissenschaft neue Gründungen hervorzubringen sowie die bestehenden Unternehmen in Dortmund mit neuen Innnovationsansätzen zu unterstützen.
Es war weniger unser Ansatz, Unternehmen aus anderen Regionen nach Dortmund zu holen, um die weggebrochenen Arbeitsplätze zu kompensieren. Sondern unser Weg war es, über Neugründungen und Stärkung der bestehenden Unternehmen eine neue Wirtschafts- und Strukturpolitik in Dortmund zu initiieren und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Damals haben wir gesagt, wenn es uns gelingt, hier auf dem Campus 1.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen, können wir sehr zufrieden sein. Heute wissen wir, dass wir annähernd das 15-Fache geschaffen haben, nämlich rund 13.500 Arbeitsplätze in über 300 Unternehmen. Der Strukturwandel geht über Köpfe. Von daher musste es uns gelingen, die Köpfe, die hier studieren und ausgebildet werden, auch in der Region zu halten und ihnen nach Studienabschluss zukunftsträchtige Arbeitsplätze anzubieten.
Seit der Gründung des TZDO war es das Anliegen von Guido Baranowski und dem Team des TZDO, neue Gründungen aus der Wissenschaft hervorzubringen und bestehende Unternehmen in Dortmund mit neuen Innnovationsansätzen zu unterstützen. Das Foto oben zeigt das Team des TZDO im Jahr 2010. Foto: TZDO
Welche Rolle hat das TZDO bei der Bewältigung des Strukturwandels in Dortmund gespielt?
Das TZDO hatte eine Herkulesaufgabe zu bewältigen, um die eben genannten Ziele zu erreichen. Da es damals keine Blaupause in Deutschland für ein neu gebautes Technologiezentrum gab, haben wir uns zunächst im Ausland umgeschaut. In England und in den Niederlanden gab es bereits erste Modelle. Da haben wir erkennen können, welcher Ansatz erfolgversprechend ist: Ausgründungen aus der Wissenschaft. Das war für uns von Anfang an der wichtigste Punkt. Und das ist auch 35 Jahre lang bis heute so geblieben: In der Wissenschaft liegen unsere Quellen für neue Ideen und neue Unternehmen. Dieser Ansatz bestätigt sich immer wieder neu, wenn wir sehen, wie häufig wir unsere Labore, Räume und Hallenflächen im TZDO umgeschlagen und neu vermietet haben: Gründen – Wachsen – Raus. Das ist unser Dreiklang, den wir von Anfang an verfolgt haben. Wir nehmen Neugründungen im TZDO temporär auf, bis die Unternehmen eine gewisse Reife erreicht haben und dann den Schritt in Richtung Ansiedlung im Technologiepark machen.
Das TechnologieZentrumDortmund (TZDO) ist inmitten des Wissenschafts- und Technologiecampus Dortmund seit 35 Jahren renommierte Adresse für technologieorientierte Unternehmen und Startups. Über 300 Unternehmen mit rund 13.500 Mitarbeitern übertragen hier ihre Forschungs- und Entwicklungsideen in marktfähige Produkte – vorwiegend in Kooperation mit der benachbarten Wissenschaft. Foto Luftbild oben: TZDO / Hans Blossey
Welche Bilanz ziehen Sie nach 35 Jahren TZDO? Wie stehen das TZDO und der Wissenschafts- und Technologiecampus Dortmund heute da?
Hier sind zuallererst die über 300 Unternehmen zu nennen, die heute auf dem rund 40 Hektar großen Wissenschafts- und Technologiecampus Dortmund angesiedelt sind. Rund 13.500 Menschen sind hier in den Unternehmen direkt beschäftigt. Mit den geplanten Erweiterungsflächen für den Campus sehe ich das Potential hier zukünftig bei 20.000 Arbeitsplätzen. Die Unternehmen arbeiten auch deshalb sehr erfolgreich auf dem Campus, da sie hier unmittelbar gut ausgebildete Fachkräfte finden.
Welche Bedeutung hat das TZDO heute in Deutschland und in Europa?
Heute ist das TZDO ein Modell und eine Blaupause in Europa für die erfolgreiche Gründung und Entwicklung von Technologieunternehmen. Wir sehen das anhand der vielen Anfragen, die wir aus ganz Europa erhalten. So haben beispielsweise Akteure aus Berlin oder München das TZDO besucht, als es darum ging, ihre Standorte neu auszurichten. Aber eine Blaupause ist nur ein Status quo. Entscheidend ist, wie wir uns fortlaufend inhaltlich, wirtschaftlich und technologisch weiterentwickeln. Wir haben immer ein paar Jahre Vorsprung gegenüber anderen Standorten, bis diese unser Level erreicht haben. Da wünsche ich mir natürlich, dass das fortgesetzt wird. Mit meinem Nachfolger Dirk Stürmer bin ich sehr zuversichtlich, dass das auch gelingen wird. Das erfordert, dass wir nicht nur den Status quo verwalten, sondern immer wieder neue Dinge initiieren und neue Technologiefelder kreieren, die dann mit neuer Infrastruktur und Neugründungen einhergehen.
Guido Baranowski und Prokuristin Martina Blank haben über 30 Jahre vertrauensvoll zusammengearbeitet und sich gemeinsam für die Gründunsgförderung am Standort erfolgreich eingesetzt. Foto oben: Roland Kentrup
Was waren und sind die entscheidenden Faktoren für den Erfolg des TZDO?
Neben der unmittelbaren Nachbarschaft zur Wissenschaft ist hier die Gesellschafterstruktur des TZDO in Form einer Public Private Partnership-Gesellschaft zu nennen. Vom ersten Tag an unterstützen öffentliche und private Träger das TZDO. Alle Beteiligte stehen hinter dem Konzept. Durch diesen Konsens können wir alle Beschlüsse, die wir im Aufsichtsrat und in der Gesellschafterversammlung fassen, unmittelbar umsetzen. In den letzten 35 Jahren gab es nicht einen Beschluss, der nicht einstimmig gefasst wurde.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolge und Meilensteine, die Sie als Geschäftsführer des TZDO erreicht haben?
Das ist die fortlaufende Initiierung neuer Kompetenzzentren: Wenn wir 35 Jahre zurückblicken, hatten wir beispielsweise keine Produktionstechnologie, keine Biomedizin und auch keine Mikrosystemtechnik am Standort. Diese und andere Technologiefelder haben wir erst im Laufe der Jahre entwickelt, da wir hier Wachstumsmöglichkeiten erkannt haben. Das sind keine kurzfristigen Hypes, sondern Bereiche, die mittel- und langfristig erfolgversprechend sind. Wir setzen nicht auf kurzfristige Aktivitäten. Für uns spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle beim Aufbau unserer Kompetenzzentren und der Investition in entsprechende Infrastruktur. In den letzten 35 Jahren haben wir rund 250 Millionen Euro investiert. Ein Großteil speist sich aus Fördermittel der Europäischen Union, des Bundes und des Landes NRW. Der Anteil, der zu finanzieren war, den hat die Stadt Dortmund vorfinanziert. Wir zahlen ihn monatlich mit entsprechenden Pachtzahlungen wieder zurück. So ist das TZDO für die Stadt als Investor kein Zuschussgeschäft, da wir uns selbst tragen.
Vielfältig engagiert sich Guido Baranowski für die Wirtschaft und die Wissenschaft am Standort. Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier 2019 im BioMedizinZentrumDortmund. Foto oben: Roland Kentrup
Welche Projekte konnten Sie nicht wie von Ihnen gewünscht umsetzen?
Es gab nur ein Technologiefeld, das heute ziehen würde, das damals nicht so gezogen hat: das war die Umwelttechnologie. Wir hatten in den 1990er Jahren ein eigenes umwelttechnisches Dienstleistungszentrum geplant und gebaut. Dies hat sich leider als nicht tragfähig erwiesen, da zu der Zeit die Umwelttechnologie fast ausschließlich von der öffentlichen Hand getragen wurde. Das ist für uns kein Modell. Eine solche Infrastruktur muss sich nach einer gewissen Anlaufphase selbst tragen.
Wie wird sich das TZDO weiterentwickeln? Was sind Themen und Technologiefelder der Zukunft?
Das wird der Digitalhafen an der Speicherstraße sein. Das wird der gesamte Bereich der Energie sein: Hier ist ein Energiecampus auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Hansa in Dortmund-Huckarde geplant. Darüber hinaus werden wir unser BioMedizinZentrum erweitern, genauso wie das Zentrum für Produktionstechnologie auf PHOENIX West. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IML und ISST werden wir ein neues Zentrum für Logistik und IT aufbauen. Allein die letzten drei genannten Vorhaben werden rund 70 Millionen Euro an Neuinvestitionen ausmachen. Zum großen Teil gibt es hier schon interessierte Nutzer für Flächen, die erst in zwei Jahren fertig sein werden. Für das neue Zentrum für Logistik und IT werden wir eigens das Bürogebäude unseres 1985 in Betrieb genommenen Technologiezentrums zurückbauen. Dort wird dann ein mehrgeschossiger Neubau direkt gegenüber dem Fraunhofer IML entstehen.
Was möchten Sie Ihrem Nachfolger Dirk Stürmer mit auf dem Weg geben?
Dass die erfolgreich eingeleiteten Technologiefelder noch weiter ausgebaut werden. Dass unsere Gründungsquellen aus der Wissenschaft aktiv weiter belebt werden. Da bin ich sehr optimistisch, dass dies gelingt. Zumal sowohl die Fachhochschule als auch die Technische Universität Dortmund als ausgezeichnete Gründungshochschulen sehr aktiv sind. Das Centrum für Entrepreneurship & Transfer (CET) der TU Dortmund ist mittlerweile als Nutzer direkt hier bei uns im TZDO ansässig.
TZDO-Geschäftsführer Guido Baranowski (re.) freut sich, dass mit Dirk Stürmer ein erfahrener Nachfolger gefunden werden konnte, der das TZDO sehr gut kennt und erfolgreich weiterentwickeln kann. Foto oben: Roland Kentrup
Was werden Sie persönlich nach dem Ausscheiden aus der TZDO-Geschäftsführung machen?
Einige Ehrenämter werde ich gerne weiter bekleiden. So werde ich weiterhin Vorsitzender der Freundesgesellschaft der TU Dortmund und im Hochschulrat der FH Dortmund bleiben. So behalte ich die Bezüge zur Wissenschaft und zum Standort und kann mich auch weiterhin in das Netzwerk einbringen. Und privat werde ich dann sicher Gelegenheit haben, mehr aufs Rennrad zu steigen.